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No.36  bis  No.40

 

No. 36 – „Und willst/kannst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein“

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Bedeutung (‚für sich‘)

Diese Haltung hat als Grundvorstellung, dass ich im Recht bin und andere, die nicht meine Glaubensvorstellung teilen, im Unrecht sind. Also kann ich sie guten Gewissens schlecht machen, verfolgen, bestrafen, einsperren, außer Landes jagen, foltern, terrorisieren und notfalls liquidieren.

(Ist verwandt mit No.16: Als Außenseiter ausgrenzen)

Haltlosigkeit (‚an sich‘)

Das geschlossene geistige System (eine dogmatische Doktrin) zeichnet sich vor allem durch systematische Kritikimmunisierung aus. Die Institutionen, die jenem System zugehörig sind, igeln sich geistig ein, wie in einer Festung. Dazu gehört dann notwendigerweise alles, was nicht in die Festung gehört, auszugrenzen.

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1.Beispiel

In einem Spiegel-Interview (Spiegel Nr.29, 2015, S.88-90) wurde

ein in Bagdad inhaftierter IS-Terrorist, Abu Abdullah,

befragt. Dieser war vom „Islamischen Staat“ beauftragt, zahlreiche Selbstmordattentäter in Bagdad zum Einsatz zu bringen.

Spiegel: Wonach haben Sie die Orte Ihrer Anschläge ausgewählt?

Abu Abdullah: Es ging darum, so viele Menschen wie möglich zu treffen – darunter vor allem Polizisten, Soldaten und Schiiten allgemein.

Spiegel: Was waren das für Orte?

Abu Abdullah: Kontrollposten der Polizei, Märkte, Moscheen, aber nur schiitische.

Spiegel: Haben Sie je bereut, diese Menschen umgebracht zu haben?

Abu Abdullah: Das waren Ungläubige! Schiiten sind Ungläubige, davon war ich überzeugt.

Spiegel: Aber es sind doch auch Muslime wie Sie.

Abu Abdullah: Deswegen hätten sie ja auch die Chance gehabt, zu bereuen und Sunniten zu werden.

… Dann später gegen Ende des Interviews (S.90):

Abu Abdullah: […] Es war Dschihad. Ich dachte, irgendwann würden diese Schiiten konvertieren oder die Stadt verlassen. Ich bin kein Schlächter. Ich habe einen Plan ausgeführt.

[…] Spiegel: Funktioniert hat es nicht.

Abu Abdullah: Das war egal. Meine Idee war, so lange weiterzumachen, bis jeder konvertiert. Oder auswandert. Egal wann sie es tun, egal!

 

2.Beispiel

Eine schwächere Variante des Themas sind die

Hetzkampagnen, die in nicht unherheblichem Maße die bundesrepublikanische Politik bestimmen.

Z.B. Hetze gegen rebellierende Studenten während der Studentenbewegung (ab 1966); Hetze gegen Andrea Ypsilanti als SPD-Kandidatin für das Amt des Hessischen Ministerpräsidenten (2008); Hetze gegen Finanzminister Lafontaine (1999); Hetze gegen Bundeskanzler Schröder (kurz nach der Wahl 2002); Hetze gegen Jürgen Möllemann (2003), Hetze gegen Thilo Sarrazin (2010), Hetze gegen Pegida-Demonstranten in Dresden (2014); Hetze gegen Kritiker der unbeschränkten Willkommenspolitik für Flüchtlinge, indem sie als hasserfüllte Rassisten und Nazis angefeindet werden (2015).

Mit solchen Hetzkampagnen soll ein bestimmter Glaubensstandpunkt in der offiziösen Politik rigoros durchgesetzt werden. Dass es eventuell berechtigte andere Standpunkte gibt, wird damit weggebügelt. Die Masse der Bevölkerung wird mit entsprechend massiver Propaganda seitens der Medien überschwemmt.

Siehe dazu auch No.23, Beispiel 3 (Massensuggestion)

3.Beispiel

Selbstverständlich gehört in diese Rubrik auch

der nationalsozialistische Antisemitismus.

Die Juden können keine deutschen Brüder sein, weil sie eine bösartige Schädlings-Rasse sind. Folglich müssen sie verfolgt, verjagt, ja schließlich ‚ausgerottet‘ werden. (Siehe dazu auch meinen Essay zu Viktor Klemperers „LTI“, sowie No.09 Beispiel 1 – „das internationale Judentum")

 

 

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No. 37 – Das Zusammenwirken von naiv idealistischen mit verbrecherischen politischen Zielvorstellungen

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Bedeutung (‚für sich‘)

Dient dazu, politische Ziele (für das normale Volk in Form von edlen Idealen gekleidet) durchzusetzen, die real der Bevölkerung schaden.

Es handelt sich um 2 verschiedene Sachverhalte, die jedoch dialektisch zusammen gehören. - George Orwell unterscheidet in seinem berühmten Totalitarismus-Roman „1984 eine innere Partei und eine äußere Partei. Eine ähnliche Idee hat Hannah Arendt, auf die ich mich hier beziehe, bei ihrer eigenen Analyse des Totalitarismus ebenfalls benutzt. Grob gesagt, gehören zur äußeren Partei die Sympathisanten im Volk oder auch die ‚einfachen‘ Parteimitglieder und zur inneren Partei die eigentlichen Macher und ‚Eingeweihten‘. – Meine Behauptung ist nun, dass die Leute der ‚äußeren Partei‘ sich durch naive, ihnen vorgegaukelte Idealvorstellungen auszeichnen (siehe auch No.07, Schönfärberei), während die (mehr oder minder) eingeweihten Leute der inneren Partei die eigentlichen Verbrechen im Sinne der Zielvorstellungen des ‚Führers‘ begehen. Hannah Arendt geht dabei nicht von einer strikten Dichotomie aus, sondern von einem Zwiebel-Modell der Nähe zum Zentrum: je näher zum Zentrum, desto strikter abgeschottet von der Normalität, desto verbrecherischer, desto lügnerischer, desto zynischer. (Siehe auch No.29, bewusste strategische Lügen).

<Buchstäblich an des Führers Worte zu glauben, wird nur von den Sympathisierenden erwartet. Ihre Aufgabe ist es, die Bewegung in einen Nebel einfältiger Treuherzigkeit zu hüllen und dem Führer bei der einen Hälfte seiner Funktion, nämlich der, in der Umwelt Vertrauen zu erwecken, zu helfen.> (Hannah Arendt: „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“, Piper 201720, S. 803)

Anmerkung: diese Grundidee der beiden Parteien, innere und äußere, und deren hier dargelegte Dialektik, ist – denke ich – keineswegs auf die unten (in Beispiel 1 und 2) aufgeführten totalitären Regimes beschränkt! Man kann diese Grundidee auch in anderen (sogar ‚demokratischen‘) politischen Verhältnissen beobachten. (Vgl. dazu: „Ullrich Mies/Jens Wernicke: “Fassadendemokratie und Tiefer Staat: Auf dem Weg in ein autoritäres Zeitalter“ (German Edition). Promedia Verlag. Kindle-Version, Wien 2017).

Haltlosigkeit (‚an sich‘)

  • Für die einfachen Genossen bzw. Volksgenossen der ‚äußeren Partei‘ ergibt sich der logische Widerspruch zwischen ihren Ideal-Vorstellungen bzgl. der Staatspolitik und dem effektiven realen Staats-Verhalten.
  • Unwahre Tatsachenbehauptungen seitens der ‚inneren Partei‘.
  • Das geschlossene geistige System (die dogmatische Doktrin) der inneren Partei zeichnet sich vor allem durch systematische Kritikimmunität aus. Die Institutionen, die jenem System zugehörig sind, igeln sich geistig ein, wie in einer Festung. Das ist verbunden mit Ausgrenzung von (z.T. konstruierten) inneren Feinden. Außerdem Tabugrenzen herstellen, Meinungsfreiheit unterdrücken, Zensur von Kritik, Verfolgung Andersdenkender.

 

1.Beispiel

Als erstes Beispiel möge der Stalin‘sche Kommunismus dienen.

Die Leute der äußeren Partei waren idealistisch gesinnte, gläubige Kommunisten, die an die Befreiung der Menschheit mit Hilfe der kommunistischen Bewegung glaubten – und deswegen die stalin‘sche Politik gutgläubig verteidigten. Stalin, im Zentrum der inneren Partei, wollte dagegen ein mächtiges sowjetisches Imperium mit modernster Maschinerie und Industrialisierung, dazu gab es als Sahnehäubchen obendrauf noch künstlerische Großtaten wie beispielsweise die Moskauer Metro, die Landwirtschafts- und Industrie-Ausstellung oder die Lomonossow-Universität in Moskau. Für die industriellen Zielvorstellungen Stalins mussten viele Millionen Menschen ihr Leben lassen. Man denke beispielsweise an die gewaltsame Kollektivierung bzw. Industrialisierung der Landwirtschaft oder an die vielen tödlichen Arbeitslager – etwa in Sibirien. Was natürlich als verbrecherische Politik anzusehen ist. Die einfachen Parteimitglieder (oft selbst noch als Häftlinge in den Lagern!) verteidigten dennoch weiterhin idealistisch und irreal ihren Glauben, dass Stalin das Weltproletariat (und damit die Menschheit) zur Befreiung führen würde.

2.Beispiel

Als zweites Beispiel soll der deutsche Nationalsozialismus unter dem ‚Führer‘ Hitler dienen.

Hannah Arendt schreibt (S.804):

<Als Hitler seinen Legalitätseid vor dem Reichsgerichtshof der Weimarer Republik schwor, glaubten ihm nur die Sympathisierenden; die Parteimitglieder wußten, daß es sich um einen Meineid handelte, und vertrauten ihm desto mehr, weil er offenbar fähig war, die öffentliche Meinung und die höchsten Instanzen des Staates zu nasführen.>

Der idealistische – jedoch irreale - Glaube der Sympathisanten, oder auch des ‚einfachen‘ Parteimitgliedes, war, dass Hitler Deutschland wieder zu alter Größe wie vor dem 1. Weltkrieg führt, und es hin zu Wohlstand und Einigkeit einer ‚Volksgemeinschaft‘ lenkt. Sie verteidigten aber dennoch – bis auf Ausnahmen – bis zum Ende Hitlers katastrophale Kriegs-Politik. Die Ermordung der Juden, Zigeuner und Insassen der Heil-und-Pflege-Anstalten (und viele andere mehr) ignorierten sie weitgehend. -  Hitler selber hatte andere, jedenfalls bei weitem radikalere Zielvorstellungen der Durchführung, als seine Sympathisanten: vor allem wollte er rassische ‚Reinheit‘ (d.h. als erstes: radikale Beseitigung der Juden) und radikale Ausmerzen alles Kranken im Volkskörper (d.h. Geisteskranke, Erbkranke und unheilbar Kranke –> ab). Sodann wollte er nicht nur ein ‚Großdeutsches Reich‘ (bis zum Ural), sondern auch die Oberherrschaft in Europa, Nordafrika, vorderer Orient und die Versklavung, wenn nicht gar Dezimierung, der Ostvölker (Polen, Balten, Ukrainer, Russen usw.). Wie Stalin hatte auch Hitler künstlerische Ambitionen der Städteplanung. Für Berlin beispielsweise, das zukünftig, nach dem siegreichen Krieg, „Germania“ heißen sollte, hatte er, zusammen mit seinem Architekten Albert Speer (vormals zuständig für das Parteitagsgelände in Nürnberg und die neue Reichskanzlei in Berlin), gewaltige Bauvorhaben geplant. – Es ist natürlich klar, dass es sich um eine verbrecherische Politik handelte, die Hitler für seine radikalen Vorstellungen durchsetzen wollte. Man denke z.B. an die millionenfache Judenvernichtung und den von Hitler angezettelten Krieg, mit Abermillionen von Toten und gewaltigen Zerstörungen, Verfolgungen, Vertreibungen und massenhaftem Elend.

 

 

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No. 38 – Personen oder Gruppen als politische Gegner ‚objektivieren‘

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Bedeutung (‚für sich‘)

Der Ausdruck ‚objektivieren‘ stammt von Hannah Arendt (Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft).  Man weiß: Ein „Bazillenträger“ ist objektiv gefährlich – auch wenn er persönlich gar keine gefährdende Absicht hat. Diese Vorstellung des ‚Objektiv-Gefährlichen‘ wird in der Politik auf Menschengruppen übertragen, die man partout als Gegner ansehen will, auch wenn sie sich keineswegs als wirkliche Gegner geoutet haben. (Lt. Hannah Arendt geht das Bazillenträger-Modell vermutlich auf Reinhard Heydrich zurück.)

Interessant ist - gemäß Hannah Arendt - der praktische Kontext dieses pseudomäßigen Objektivierungs-Verfahrens: <In der Praxis sieht das natürlich so aus, daß die von dem Regime zur Ausrottung bestimmten Gruppen so lange diffamiert, beschimpft und der größten Verbrechen geziehen werden, bis alle Welt weiß, daß es sich hier um Feinde handeln kann, und schließlich die Aktion gegen sie als mehr oder minder berechtigt empfunden wird.> (Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, S. 878, Piper 201720 ).

Der grundlegende Fehler dieser Disposition liegt darin, dass hier ein ‚Eigentliches‘, Substanzielles, also etwas angeblich ‚Objektives‘ zum Absolutum erhoben wird, für das schon ein unerheblicher Hinweis genügt, um ihm zu entsprechen.

[Hat starke Verwandtschaft mit No.09 - Unterstellung von Bösartigkeit bzw. Gefährlichkeit ohne haltbaren Beweis - Karl Kraus: die verfolgende Unschuld].

Haltlosigkeit (‚an sich‘)

  • Ungerechtfertigte Zuordnung eines Elements zu einer Menge mit definierten Eigenschaften.
  • Unwahre Tatsachenbehauptungen.
  • Verwendung falscher Analogien (siehe No.04)
  • Inflationärer Gebrauch der Fallacy ‚Abusive [beleidigendes] ad hominem‘ (siehe No.06)

 

1.Beispiel

Nationalsozialistischer Antisemitismus

<Der Gegner ist, wie die nazistische Rechtswissenschaft mit Recht feststellte, gleich einem Bazillenträger, objektiv gefährlich als Träger gewisser Tendenzen (...)>  (Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, S. 878, Piper 201720 ).

Und tatsächlich ansteckend bzgl.  ‚philosemitischen‘ Intellektuellen, die sich vom ‚Jüdischen Geist‘ infizieren ließen.  - Das heißt außerdem konkret: auch wenn beispielsweise deutsch-patriotische Juden sich im 1. Weltkrieg für die ‚Deutsche Sache‘ aufgeopfert hatten, blieb ihnen dennoch das Konzentrationslager im 3. Reich nicht erspart, da sie ja aus der Sichtweise des Hitler’schen Antisemitismus als ‚Rasse‘ objektiv gefährlich waren. Selbst wenn diese Patrioten de facto harmlos waren (wie man bei der Gestapo sicher wusste!), so hatten sie (und ihre Nachkommen) dennoch ‚in ihrem Blut‘ die objektive Eigenschaft, sich letztlich in irgendeiner bösartigen Form gegen die edle germanische Rasse zu wenden.

2. Beispiel

Anklage als Konterrevolutionär in Sowjetrußland

<(...) die in Sowjetrußland tödliche Anklage des Konterrevolutionärs wird erhoben und ist bewiesen, „bevor die Frage nach dem Verhalten des Angeklagten sich überhaupt gestellt hatte.“> Hannah Arendt bezieht sich bei diesem Zitat auf das BuchThe Dark Side of the Moon“ 1947, mit Berichten von (polnischen) Lagerinsassen des GULAG. – Dazu konnten problemlos irgendwelche ‚Gummiparagraphen‘ des berüchtigten § 58 Strafgesetzbuch verwendet werden, z.B. „Artikel 58.4: Sämtliche Unterstützung der „Weltbourgeoisie“; die Nichtanerkennung der Tatsache, dass das kommunistische System das kapitalistische System ersetzen wird; der Versuch des Umsturzes des kommunistischen Systems und die Durchführung feindlicher Aktionen unter dem Einfluss „bourgeoiser sozialer Gruppen“; führt zu den im Artikel 58.2 genannten Strafmaßnahmen,“ – M.a.W., wer (meist willkürlich) als „Konterrevolutionär“ amtlich gestempelt war, der galt genau dadurch als objektiv staatsfeindlich. „Nach Stellungnahme des Sowjetischen Innenministeriums wurden nach diesem Artikel nur bis Februar 1954, also nur bis zum Ende der Stalinära, insgesamt 3.777.380 Menschen verurteilt, davon 642.980 zum Tode, der Rest bis zu 25 Jahren Arbeitslagerhaft.“ (Wikipedia).

3. Beispiel

Rassismusvorwurf beispielsweise im Zusammenhang mit der Kritik am Islamismus (ARAG Antifa Gießen-2016)

ARAG Antifa Gießen-560

Auch im heutigen Deutschland findet sich jene ‚Objektivierung als politischer Gegner‘. Wie das YouTube Video der „ARAG Antifa Gießen“ (Februar 2016) „Katastrophenschutz - kreativ gegen die AfD in Gießen, aufzeigt.

Man sieht eine Gruppe von ‚Kreativen‘ in weißen Katastrophenanzügen samt Mundschutz und Schildern mit Inschriften etwa „Tatort Rassismus“, die einen Informationsstand der AfD in der Gießener Fußgängerzone mit einem schwarz-gelben Band gegen die Fußgänger absperren wollen, um diese vor der Gefährdung durch die AfD zu bewahren. Eine Sprecherin ruft: „Achtung, Achtung: Rassismus verseuchte Zone“. Dann irgendwann „Gehen Sie weiter, sonst infizieren Sie sich“ (bei 0:58, 1:25). „Atmen Sie nicht die Rassismus-verseuchte Zone ein“ (2:24).

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Gegenwärtig (seit ca. 2010) wird der traditionelle biologische Aspekt des negativ konnotierten Rassismus-Begriffes systematisch getilgt, weil es in neuerer Sichtweise keine verschiedenen Menschenrassen gibt. Stattdessen wird der negative Rassismusbegriff soziologisiert. Überall wo Menschen einer anderen Ethnie, Kultur, Hautfarbe oder Religion etc. benachteiligt, kritisch gesehen oder gar diskriminiert oder verfolgt werden, handelt es sich demgemäß soziologistischerweise um ‚Rassismus‘.

Und hier setzt der ideologische Aspekt ein: Warum verwendet man heutzutage den Rassismus-Begriff trotzdem immer noch, wenn es doch keine unterschiedlichen Menschenrassen gibt? Dann müssten doch logischerweise die Begriffe, die übrig geblieben sind, verwendet werden; z.B. Benachteiligung, Diskriminierung, haltlose Kritik, Abwertung, Verfolgung usw. – Die Erklärung dafür, warum das nicht geschieht, ist einfach: Die klassischen Rassisten gibt es immer noch und sie sind in der Tat immer noch rassistisch drauf gegenüber anderen Ethnien, Kulturen, Hautfarben, Religionen usw. – Soweit, so richtig. Wenn sich allerdings  irgendjemand  auch nur irgendwie kritisch einigen Menschen fremder Ethnie, Kultur, Hautfarbe, Religion, z.B.  speziell  einigen Anhängern der islamischen Weltanschauung, gegenüber äußert, so wird er von diversen  linken, islamischen oder sonstigen Gruppierungen schon allein deswegen quasi ‚objektiv‘ als ganz gemeiner ‚Rassist‘ entlarvt – auch wenn der sich selber keineswegs, und zwar womöglich aus gutem Grund, als ‚Rassist‘ sieht. In dieser letzteren Verhaltensweise gegen irgendjemand liegt das ideologische Problem, das sich als Soziologismus geriert.

Denn diese undifferenzierte Verhaltensweise gegen  irgendjemand, der sich selber keineswegs als (klassischen und entsprechend unheilvollen) biologistischen Rassisten sieht, hat eine fatale strukturelle Analogie zum nationalsozialistischen Antisemitismus. Bei diesem wurde nämlich ebenfalls nicht differenziert beispielsweise zwischen national gesinnten Juden, die sich im 1. Weltkrieg an der Front für Deutschland einsetzten und den übrigen Juden. Denn alle Juden hatten ‚objektiv‘ das bösartige ‚Blut‘ in sich, d.h. die biologisch ererbte Substanz der grundsätzlichen jüdischen Bösartigkeit und Gefährlichkeit der arischen Rasse gegenüber. Gleichgültig, ob es auch gutartige oder national gesinnte Juden gab, das wurde schon auch manchmal gesehen, hatten sie aber (leider leider) doch ‚objektiv‘ jene bösartige Erbsubstanz in sich. Und deswegen sollten sie gemäß Hitler alle ‚ausgerottet‘ werden. Laut Himmlers ‚Posener Rede‘ vom 06.10.1943 „mußte der schwere Entschluß gefaßt werden, dieses Volk von der Erde verschwinden zu lassen. Für die Organisation, die den Auftrag durchführen mußte, war es der schwerste, den wir bisher hatten.“ (Wikipedia)

Dementsprechend hat in der strukturellen Analogie zu dem heutigen soziologistischen Rassismus-Begriff jeder Beliebige, der/die sich auch nur irgendwie kritisch einigen Menschen fremder Ethnie, Kultur, Hautfarbe, Religion, z.B.  speziell der islamischen Weltanschauung, gegenüber äußert, schon ‚objektiv‘ die bösartige Substanz des (klassischen) Rassismus in sich, vielleicht ohne es zu merken und ohne das eigentlich zu wollen. – Das hat den Vorteil: man braucht solche Kritik nicht ernst zu nehmen, ja man kann solche Personen dafür auch noch gefahrlos brandmarken und diskriminieren, beispielsweise als ‚Nazis‘. Und einige (angeblich gutmeinende) Radikale denken, sie seien deswegen vollauf berechtigt, nun auch Gewalt anzuwenden – wofür sie dann womöglich ungestraft davonkommen, weil diese ja einem anerkanntermaßen guten Zweck dient.

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Der grundlegende Fehler dieser Disposition liegt darin, dass hier ein ‚Eigentliches‘, Substanzielles, also etwas angeblich ‚Objektives‘ zum Absolutum erhoben wird, für das schon ein unerheblicher Hinweis genügt, um ihm zu entsprechen. Bei den (realen) Nazis war das Eigentliche, dass jemand Jude war (beispielsweise weil seine Vorfahren jüdischen Glaubens waren). Das war der unerhebliche Hinweis, um ihn der Deportation nach Auschwitz auszuliefern. Sein tatsächliches Lebensverhalten, also das, was wirklich zählt, spielte keinerlei Rolle.

Analog ist es bei dem neueren soziologistischen Rassismus-Begriff. Die Kritik an einigen Menschen fremder Ethnie, Kultur, Hautfarbe, Religion, oder Kritik am Islam, wird zum Absolutum des klassischen biologistischen Rassismus erhoben für das schon ein unerheblicher Hinweis genügt, um der bösartigen Substanz des klassischen Rassismus ‚objektiv‘ zu entsprechen. Das wirkliche Lebensverhalten, die wirkliche Argumentation des Kritikers, also das was wirklich zählt, spielt dabei keinerlei Rolle.

 

 

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No. 39 – Primärprozess-Argumentation (Alles oder Nichts)

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Bedeutung (‚für sich‘)

<Es ist ein Charakteristikum unbewußten oder „Primärprozeß“-Denkens, daß der Denkende unfähig ist, zwischen „einige“ und „alle“ oder zwischen „nicht alle“ und „keine“ zu unterscheiden. Es scheint, als würden diese Unterscheidungen nur in höheren und bewußteren geistigen Prozessen erreicht, die beim nicht psychotischen Individuum dazu dienen, das Schwarz-Weiß-Denken der unteren Ebenen zu berichtigen.> [Aus: Gregory Bateson: Ökologie des Geistes (Ffm 1985, stw 571). Darin der Aufsatz (S.241-261): „Eine Theorie des Spiels und der Phantasie (1954)“. Das Zitat ist Seite 250].

 

Haltlosigkeit (‚an sich‘)

Die Objektivität der Darstellung wird durch diverse (zum Teil unbewusste) Tricks der Falschdarstellung des Sachverhaltes verhindert. Das Schwarz-Weiß-Denken wird bewusst nicht berichtigt, wenn dies dem Argumentierenden nicht ins dogmatische Korsett passt.

 

Man sieht also, dass nach Bateson zu diesem ‚Primärprozess-Denken‘ wesentlich die Übertreibung gehört. Aber ich denke, das erschöpft nicht alles, was da eigentlich mit dazu gehört. Beispielsweise gehört dazu noch die polarisierende Argumentation von No.18c (Abwehrmechanismus Polarisierung), die ja ebenfalls eine Abart von Übertreibung ist.

Die Primärprozess-Argumentation (P-Argumentation) ist verwandt mit der Propaganda und ihren mangelnden Fallunterscheidungen (siehe  No.48). Denn die P-Argumentation verhindert ja durch ihre primitive Form eine genauere Differenzierung der realen Phänomene. Dadurch wird schon von vornherein gegenüber einer sinnvollen Diskussion der angerissenen Thematik ein Riegel vorgeschoben.

 

1. Beispiel

Grünen Vorsitzender Robert Habeck - Thema ‚Flüchtlingskrise‘

In einem SPIEGEL-Interview mit den beiden 2018 gewählten Vorsitzenden der Grünen Partei Annalena Baerbock und Robert Habeck (Überschrift „Radikal und staatstragend“) wird von den Spiegel-Journalistinnen auch das Thema ‚Flüchtlingskrise‘ angeschnitten. Was Habeck zu den interessanten Sätzen veranlasst: <Die Flüchtlingskrise von 2015 ist nicht das eigentliche Problem, sie bebildert etwas viel Grundsätzlicheres: Es gibt ein weit verbreitetes Gefühl, dass die Politik hilflos ist. Gegenüber der Macht der Ökonomie, der Globalisierung, der Klimakrise. 2015 hat die Bilder zu diesem Lebensgefühl geliefert. Spiegel: Die Menschen fürchteten 2015 nicht die „Macht der Ökonomie“, sie hatten einfach Angst, weil der Staat die Kontrolle verlor. Habeck: Geflüchtete sind konkreter als Banksysteme. Aber das Problem reicht tiefer. Es wäre falsch zu sagen, wenn wir keine Flüchtlinge mehr ins Land lassen, sind alle Probleme gelöst.> (Aus: Der Spiegel Nr. 6/ 3.2.2018, S.31).

Es wäre nicht nur „falsch zu sagen“, sondern jemand, der gewillt ist, rational zu denken, wird solche Ideen schwerlich produzieren. Denn erstens geht es bei der Spiegel-Frage nicht darum, „keine Flüchtlinge mehr ins Land zu lassen“, sondern lediglich darum, die Kontrolle wieder herzustellen. Und zweitens: jemand, der seinen Verstand benutzt, glaubt wohl kaum, dass in einer komplexen Welt schon alle Probleme gelöst wären, wenn man wenigstens ein Problem löst. Das gilt ja noch nicht mal für einen Hausbesitzer, der einen Wasserkran repariert. Davon hat er beispielsweise noch lange nicht das Problem eines undichten Daches gelöst. Und so blöd kann er gar nicht sein, so etwas nicht zu wissen. Denn dann könnte er natürlich auch keinen Wasserkran reparieren!

Mit dieser Primärprozess-Argumentation schafft sich Habeck - scheinbar elegant - das Flüchtlingsproblem vom grünen Hals. Insofern wird klar, dass die Primärprozess-Argumentation als psychischer Abwehrmechanismus angesehen werden kann. (Siehe dazu auch No.18 - Abwehrmechanismen produzieren).

2. Beispiel

Ein rechtslastiger Kommentator in einem YouTube-Forum vertritt folgende Ansicht:

<In einem ähnelt die kommunistische BRD sehr ihren großen Vorbildern, Kambodscha, China, UdSSR.

Es sind die gleichen Funktionärstypen, zum Teil sogar die gleichen Personen, die die Posten in der akademischen Welt, in den Medien, in der Legislative, Exekutive und Judikative besetzen.>

Dazu eine Gegenstimme in dem Forum: <Die "kommunistische" BRD?! Bitte erläutern oder Belege anfügen>

Zur Erläuterung brachte der Kommentator ein Zitat von Solschenizyn: "Eine kommunistische Gesellschaft erkennt man daran, daß Kriminelle gar nicht oder gering bestraft werden, Regimegegner aber mit aller Härte."

Es handelt sich hier offenbar um den klaren Fall einer Übertreibung, denn ‚Regimegegner‘ werden in Deutschland 2018 nun mal nicht „mit aller Härte“ bestraft, so wie das zu Zeiten von Solschenizyn in der kommunistischen Sowjetunion geschah. Vgl. sein Werk Archipel Gulag“.

Und zwar dient diese Übertreibung dazu, das politische System der Bundesrepublik Deutschland zu dämonisieren. Überhaupt denke ich, dass sog. ‚radikale‘ Kräfte als Ausdruck ihrer Radikalität notwendigerweise die Dämonisierung ihrer (vermeintlichen) Gegner benötigen. Und das leistet die Primärprozess-Argumentation, und zwar ganz besonders die Übertreibung. (Siehe auch No.41 – Verdinglichung als Feind, Dämonisierung).

3. Beispiel

Ein intellektueller Linker vertritt folgende Ideen bzgl. einer zur Ruhe gekommenen Gesellschaft ohne kapitalistisches Wachstum:

<Wir benötigen eine Gesellschaft, die sich vom Fetisch Wachstum verabschiedet hat und ihren Zusammenhalt nicht auf Geld und Konsum gründet. Was wir brauchen, sind Tugenden des Unterlassens, Prämien aufs Nichtstun, Kontemplation statt Produktion, Faulheit statt rastlosem Tun.> (Götz Eisenberg: Zurück zum Gesundheitswesen. Gießener Anzeiger S.19, 6.Mai 2020).

Bei dieser Textstelle fallen mir zwei Aussagen ins Auge, die auf Primärprozess-Argumentation verweisen.

  • „Prämien aufs Nichtstun“. – Solcherlei ‚Prämiemüsste ja den Lebensunterhalt des Müßiggängers (d.i. jemand, der nichts arbeitet) bestreiten können. Also müssten andere Leute für den Müßiggänger arbeiten.  Das bedeutet, dass arbeitende Leute für Müßiggänger zusätzliche Arbeit leisten müssten. Eine interessante neue ‚linke‘ Utopie, die realiter eher wie eine feudalistische Dystopie aussieht. Hier wird also nicht Arbeit abgeschafft, sondern zusätzliche Arbeit irgendwelchen Non-Müßiggängern aufgehalst, um diverse Müßiggänger mit durch zu schleifen.
  • „Faulheit statt rastlosem Tun“. Hier taucht der ideologische Argumentationstrick der Polarisierung auf, der in No. 18, Beispiele 2 und 3 abgehandelt wurde. Offenbar ist - wie dort schon erwähnt -  die Polarisierung (d.i. der absolute Gegensatz) ebenfalls eine Form von Primärprozess-Argumentation.
  • Denn zwischen ‚Faulheit‘ und ‚rastlosem Tun‘ gibt es ja noch etliche Zwischenstufen. Faulheit ist nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für das Individuum sinnlos, und rastloses Tun (zumindest für das Individuum) ebenfalls. Wie kann man also die Sinnlosigkeit der Faulheit (à la Oblomov, dem russischen Adligen in Gontscharows instruktivem Buch) als einen idealen Wert für eine Gesellschaftsveränderung ansehen? Auch hier übrigens die Thematik, die oben in Punkt 1. dargelegt wurde: das Schmarotzertum.
  • Tatsächlich ist es so, dass sich erst bei gewissen Zwischenstufen zwischen den beiden von Eisenberg genannten Extremen ein individuell sinnvolles Leben abspielen kann. Z.B. eine Person, die zwar erfolgreich arbeitet, sich aber trotzdem Muße für Kommunikation und Kontemplation gönnt.

4.Beispiel

Siehe No.25, Beispiel 4 - Monokausalitäts-Argumentation

 

 

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No. 40 – Unfaire Argumentationsweise - Rechthaberei um jeden Preis

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Bedeutung (‚für sich‘)

Es geht bei der unfairen Argumentationsweise nicht darum, sich an der Wahrheit zu orientieren, sondern in diesem Fall geht es speziell um Rechthaberei um jeden Preis. – Viele, die nicht argumentieren können oder wollen, meinen, dies sei der eigentliche Sinn von Diskussion.

(Verwandt mit No.02 „Datenverdünnung“;  No.18 „Abwehrmechanismen“; No.21 „Irrelevante, pseudo-plausible Gegenargumente“; No.35 „Entscheidende Differenzierung verhindern“)

Haltlosigkeit (‚an sich‘)

Die Objektivität der Erörterung eines Themas wird durch diverse (zum Teil unbewusste) Tricks der Schief-Darstellung oder Falschdarstellung von Sachverhalten verhindert.

 

1. Beispiel

Eine junge Perserin, die den Islam verteidigt

wird gefragt, ob sie ein einziges islamisches Land nennen kann, welches Religionsfreiheit wie hier in Deutschland kennt. Triumphierend, und wie aus der Pistole geschossen, antwortet sie: Indonesien. – Es geht ihr nicht darum, die Frage als durchaus gerechtfertigt anzuerkennen, sondern allein um den Triumph der Rechthaberei. Wiewohl auch im Falle von Indonesien durchaus Skepsis angebracht ist. (Siehe hier). (Der Kern der Argumentation ist ein Fall von falscher Proportion und damit Verzerrung der Darstellung eines Sachverhaltes; siehe No.05)

2.Beispiel

Eine ägyptische Islamverteidigerin wird von einem Islamkritiker auf die Clitoris-Beschneidungen durch Islamgläubige angesprochen

– beispielsweise in Ägypten. Triumphierend verkündet darauf die Islamverteidigerin, dass dies bei den (christlichen) Kopten in Ägypten ebenfalls Brauch sei. – Es geht ihr nicht darum, die Frage als durchaus gerechtfertigt anzuerkennen, sondern allein um den Triumph, dem Islamkritiker eins ausgewischt zu haben. (Der Kern der Argumention ist ein Fall von ‚Whataboutism‘; siehe No.42).

3. Beispiel

Schopenhauer „Eristische Dialektik“ – Kunstgriff  32  (eine Gegenansicht unter eine negativistische Kategorie bringen, um sie zu verurteilen)

<Eine uns entgegenstehende Behauptung des Gegners können wir auf eine kurze Weise dadurch beseitigen oder wenigstens verdächtig machen, daß wir sie unter eine verhaßte Kategorie bringen, wenn sie auch nur durch eine Ähnlichkeit oder sonst lose mit ihr zusammenhängt; z. B.: »Das ist Manichäismus; das ist Arianismus; das ist Pelagianismus; das ist Idealismus; das ist Spinozismus; das ist Pantheismus; das ist Brownianismus; das ist Naturalismus; das ist Atheismus; das ist Rationalismus; das ist Spiritualismus; das ist Mysticismus u. s. w.« – Wir nehmen dabei zweierlei an: 1) daß jene Behauptung wirklich identisch oder wenigstens enthalten sei in jener Kategorie, rufen also aus: oh, das kennen wir schon! – 2) daß diese Kategorie schon ganz widerlegt sei und kein wahres Wort enthalten könne.>

Bei Schopenhauers Aufzählung fehlt noch 3) daß die „verhaßte Kategorie“ zur Einordnung unzutreffend ist und daß sie außerdem diskriminierend und beleidigend ist, wie etwa wenn man Islamkritik umstandslos der ‚verhaßten Kategorie‘ des „Rassismus“ zuordnet (siehe No.38 Beispiel 3 - Rassismus) oder wenn man Leute, welche den Ansichten von Greta und ihren Anhängern bzgl. Klima skeptisch gegenüberstehen, in die verhasste Rubrik „Klimaleugner“ oder „Klimawandelleugner“  einordnet, wenn diese eine Klimaveränderung zwar zugestehen, jedoch nicht der Ansicht sind, dass definitiv bewiesen ist, dass diese Klimaveränderung hauptsächlich durch CO2  geschieht. (Siehe dazu auch No.22: Per Macht- und Autoritätsdekret bestimmen, was die Wahrheit ist).

4. Beispiel

Confirmation Bias - Bestätigungverzerrung der eigenen Positionierung

Ein ziemlich unbewusster Trick der Falschdarstellung ist die falsche Erinnerung im Sinne des Confirmation Bias. In diesem Falle ist eine konstruktive Diskussion über das betreffende Thema nicht mehr möglich - lediglich nur noch Rechthaberei. Derjenige mit der falschen Erinnerung hat sich damit kritikimmun gemacht. - Jemand hat beispielsweise gesagt: “Ich möchte einen Beleg für die zur Reparatur abgegebene Uhr.” Der Besitzer des kleinen Uhrenladens unterstellt dem Kunden, dass dieser ihm nicht zutraut, dass er das Teil reparieren kann. Der Kunde hat mit seiner Aufforderung offenbar für den Besitzer an der Ehre des Geschäftsmanns gezweifelt, was dieser sich gedächtnismäßig ummünzt in Unterstellung von Unfähigkeit seitens des Kunden: “Sie haben doch selbst (angeblich im Scherz) gesagt: Bevor die Uhr ihm Abfall verschwindet.” Wobei der Besitzer nicht einkalkuliert, dass er demnächst Urlaub macht, und nur noch eine (nach erfahrungsmäßiger Ansicht des Kunden relativ unbedarfte) junge weibliche Hilfskraft im Laden ist, und dass deshalb eine gewisse Vorsicht seitens des Kunden bzgl. seiner ihm teuren (wenn auch altmodischen) Uhr durchaus verständlich ist.

Wie man sieht, kann diese ‘persönliche Geschichtsfälschung’ aufgrund der  falschen Erinnerung als nicht gerechtfertigter strategischer Vorteil dienen, um sich selber dem Gegenpart gegenüber in eine moralisch höherwertigere Position zu bringen als dies objektiv begründet ist (was dann eigentlich der unbewusste Sinn der Übung ist). Und umgekehrt wird dabei - nach dem Nullsummenverfahren - der polarisierte Gegenpart in eine moralisch geringerwertigere Position herabgezogen als dies objektiv begründet ist. - Ist verwandt mit No,13 - Unterstellung, No.18 - Abehrmechanismen (Polarisierung+Nullsummenverfahren), No.39 - Primärprozess.

 

 

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